«Der Sinn für die lyrische Seite des Lebens ist bei Marianne bestens entwickelt und hellwach.»

Pensionierung Marianne Ernst

¡Mucha suerte!

Von Fides David, Regina Peter & Anne Broger

 


«Ich bin Marianne Ernst, ich unterrichte seit mehr als 20 Jahren an der KME und kann mir nichts Schöneres vorstellen!» So präsentierte sich Marianne Ernst an der Einführung ihres Schwerpunktfachs Spanisch und dies hat sie auch gelebt.

1981 trat Marianne als junge Lehrerin für Englisch eine befristete Stelle an der KME an, im Jahr 2000 wurde sie unbefristet angestellt und 2003 zur Lehrerin mit besonderen Aufgaben gewählt (mehr dazu später); mit der Schaffung der Schwerpunktfächer unterrichtete sie dann vorwiegend Spanisch.

Intermezzo 1: Eine junge Frau mit langem blondem Pferdeschwanz biegt auf dem Velo vom Kreuzplatz in den Zeltweg ein.

«Das ist Marianne Ernst», sagt mein Begleiter bewun­dernd, «Englisch- und Spanischlehrerin an der KME.» An der KME hatte ich damals gerade zu unterrichten begonnen, als Hilfslehrerin, noch im Studium. Bald begegnete ich Marianne im Lehrerzimmer, wir waren die Jüngsten, wir kamen ins Gespräch, verstanden uns und führten dieses Gespräch weiter über all die Jahre in wechselvollen Zeiten. Kollegen und Kolleginnen kamen und gingen, wir blieben. (AB)

«Die Begeisterung für das Unterrichten ist bei Marianne während all der Jahre nie erloschen.»

Spontan fallen mir folgende Qualitäten zu Marianne ein: eine grosse Begeisterung fürs Unterrichten, ein offenes Ohr für Studierende, originelle und sehr persönliche Reden für das Kollegium, vielfältige und vor allem fächerübergreifende Interessen.
Die Begeisterung für das Unterrichten ist bei Marianne während all der Jahre nie erloschen. Neben dem ganz normalen Alltagsunterricht hat sie immer auch das Besondere einfliessen lassen: Sie pflegte viele Kontakte zu lateinamerikanischen Dichtern und ermöglichte den Klassen persönliche Gespräche und einen lebendigen Austausch mit «native speakers».

Sie organisierte während den Schwerpunktfachtagen Flamencokurse und brachte die Studierenden zum Tanzen; dass an der Gitarre Adrian Schläpfer sass, ein Geschichtslehrer der KME, und der Tanz von Katja Campanile vom Sekretariat der KME gelehrt wurde, ist bezeichnend. Mutig hat Marianne eine Kurzreise nach Barcelona initiiert, von Widerständen im Kollegium liess sie sich nicht abhalten. Ebenso kannte sie keine Berührungsängste, wenn es darum ging sich zu verkleiden: Um den mexikanischen Totenkult realistisch darzustellen, zog die ganze Klasse samt Marianne in passenden Kostümen durch die KME.

Genuines Interesse an Menschen

Ihr offenes Ohr und ihr genuines Interesse an Menschen hat sie immer wieder zur Vertrauten für Studierende in schwierigen Situationen gemacht. Sie stand ihnen mit Rat, aber auch mit Tat zur Seite. Viele Kontakte zu Studierenden haben sich erhalten, auch noch lange nach der Ausbildungszeit an der KME.

Intermezzo 2: Einmal, wir gehörten nicht mehr zu den Jüngsten, aber immer noch zu den Jüngeren, fragte mich Marianne – sie stand damals wohl der Fachschaft Englisch vor –, ob ich mit ihr zusammen den neuen Englischassistenten am Flughafen abholen wolle.

In der Empfangshalle standen wir mit einer grossen Toblerone bereit, reisten mit dem aus Schottland kommenden jungen Mann zurück nach Zürich und luden ihn im Herzen der Zwinglistadt zum Essen ein ins Restaurant ‚Schwänli‘ mit Blick auf Predigerkirche und Zentralbibliothek. Worüber wir uns mit dem jungen Mann unterhielten, weiss ich nicht mehr; er sprach wenig. Möglich, dass ihn das Zweierempfangskomitee verlegen machte, jedenfalls hatte er am Ende so viel Bier getrunken, dass wir es für ratsam hielten, ihn bis in sein Zimmer in Wollishofen, wo er zur Untermiete war, zu begleiten. (AB)

Mit der Wahl zur Lehrerin mbA, d.h. mit besonderen Aufgaben, hatte es bei Marianne Ernst eine ganz spezielle Bewandtnis. In ihrem Fall wurde aus den besonderen Aufgaben wirklich etwas Besonderes: Man vertraute Marianne das Amt der Geschenkkasse an und in dieser Funktion war sie unübertroffen. Ob der Anlass ein runder Geburtstag war, eine Hochzeit, Geburt oder Pensionierung: Marianne hat sich in die Personen eingefühlt, im Kollegium Erkundungen getätigt und alle möglichen Informationen gesammelt.

Daraus gestaltete sie dann originelle, überraschende und persönliche Karten und Gaben – und fand die passenden Worte für die zu Beschenkenden. Auch hier scheute sie keinen Aufwand und engagierte sich zum Wohle aller. Dieser Einsatz wurde schon während ihrer aktiven Zeit hochgeschätzt und speziell verdankt. Das Amt der Geschenkkasse, das nota bene nicht bezahlt wurde, hat Marianne aber über all die Jahre mit solcher Leidenschaft und Hingabe ausgeübt – besser gesagt: neu erfunden, dass wir ihr hier einen ganz besonderen Dank aussprechen möchten.

Intermezzo 3: In späteren Jahren, wir gehörten nun zu den Älteren, hatte ich die Ehre, Mariannes Buchführung der Geschenkkasse zu revidieren. Marianne führte die Buchhaltung von Hand mit schöner Schrift, wies sorgfältig Art und Wert der Geschenke aus, ebenso die aus dem Kollegium eingehenden Geldbeträge. Auf gesonderten Seiten im Ordner waren die Quittungen eingeklebt, mit Zahlen versehen, die mit den nummerierten Einträgen auf den vorangehenden Seiten übereinstimmten: Gratulationskarten, Büchergutscheine, Schreibgerät, CDs, Bildbände, Schals, Halsketten, Eau de toilette … Nie gingen Marianne die Ideen aus. (AB)

Eine andere besondere Aufgabe, welche sie über all die Jahre wahrgenommen hat, war die Vorbereitung des Apéros nach dem Nüsslikonvent im Dezember. Das Schmücken des Raumes und das Anrichten des Apéros hat sie mit viel Liebe gemacht. Während langer Zeit erhielt sie dabei auch Unterstützung von bereits pensionierten Kolleginnen.

Was Marianne auch auszeichnete, waren ihre vielfältigen Interessen. Es ist sicher kein Zufall, dass ihre Würdigung von «fachfremden» Kolleginnen geschrieben wird. Sie war an vielem interessiert, hat den Austausch gesucht und immer wieder nachgefragt und nachgehakt. Sie hat recherchiert und wollte es immer genau wissen. Viele spannende und interessante Gespräche mit ihr sind uns in Erinnerung geblieben.

Intermezzo 4: Im Lehrerzimmer an einem müden Nachmittag: Ich sage zu Marianne, dass ich mich nach langer Pause wieder mit dem Spanischen beschäftige. Hocherfreut schaut sie in mein Lern-Wörterheft und liest laut daraus vor: «Un hombre audaz, un cojín carmesí…»

Dann lacht sie auf und ruft: «Du, das ist ja fast schon ein Gedicht: ein wage­mutiger Mann und ein karmesinrotes Kissen…! Oder der Anfang einer romantischen Ge­schichte!» Da fuhr plötzlich ein Schub Lebensfreude durch das Lehrerzimmer! Ja, der Sinn für die lyrische Seite des Lebens ist bei Marianne bestens entwickelt und hellwach – und für einen erfrischenden Lacher war auch in schwierigen Zeiten immer Raum. (RP)

 Abschliessen möchten wir diese Würdigung mit dem Ausschnitt aus einem Gedicht von Antonio Machado (1875-1939), welchen Marianne Ernst am Ende ihrer Schwerpunktfach-Ein­führung rezitiert hat:

Caminante, no hay camino

Caminante, son tus huellas
el camino y nada más;
Caminante, no hay camino,
se hace camino al andar.
Al andar se hace el camino,
y al volver la vista atrás
se ve la senda que nunca
se ha de volver a pisar.
Caminante, no hay camino
sino estelas en la mar.

(Proverbios y Cantares)

Wanderer, der Weg besteht aus
deinen Spuren, aus nichts anderem;
Wanderer, es gibt keinen Weg,
den Weg macht man, indem man geht.
Im Gehen macht man den Weg
und, wenn man zurückschaut,
sieht man den Pfad, den man nie wieder
betreten muss.
Wanderer, es gibt keinen Weg,
nur Spuren im Meer.

(Übersetzung: RP)

Herzlichen Dank, Marianne!

 

Text: Fides David, Regina Peter & Anne Broger
Bilder: Fides David, Roberto Huber